ZAMm unterwegs

Ja, Sie haben richtig gelesen. Da steht wirklich ZAMm und das ist kein Schreibfehler. ZAM steht für  "Zukunftsorientierte Agrarwirtschaftliche Motivation"  und dahinter verbirgt sich eine tolle Bildungsinitiative für Frauen (beim kleinen m handelt es sich übrigens um ein Wortspiel  - es soll das Wort "zusammen" ausgedrückt werden). Dabei geht es darum, den eigenen Blickwinkel zu erweitern, seine Stärken zu stärken, Neues auszuprobieren und das Weiterentwickeln in der Rolle als Funktionärin. Die treibende Kraft hinter dieser Initiative ist das Ländliche Fortbildungsinstitut und die Landwirtschaftskammer Österreich.


ZAMm unterwegs hat mich nun fast ein Jahr lang begleitet. Zuerst im Frühjahr mit dem Zertifikatslehrgang "Professionelle Vertretungsarbeit im Ländlichen Raum", wo wir uns intensiv mit der eigenen Person, der Agrarpolitik, der Öffentlichkeitsarbeit und unseren Führungskompetenzen beschäftigt haben. Außerdem haben wir in einem Wien-Modul die Landwirtschaftskammer Österreich, das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus und das Parlament besucht.

Und nun im Herbst hatten wir die Möglichkeit nach Brüssel zu reisen und uns die Institutionen der Europäischen Union anzuschauen. 

 

ZAMm und ich

Ich muss gestehen, dass ich diesen Zertifikatslehrgang aus zeitlichen Gründen eigentlich nicht machen wollte. Dennoch hat man mich "sanft" dazu überredet, auch weil der Lehrgang zum ersten Mal im Burgenland angeboten wurde und somit zumindest lange Anfahrtswege wegfallen würden. Na gut - habe ich mir gedacht - mach ich halt mit. Zehn Tage, aufgeteilt auf drei Monate, ist mit der Arbeit und der Familie ja auch zu schaffen - und das Brüssel Modul sollte sowieso erst im Herbst sein, und war fakultativ, d.h. wenn es sich nicht ausgehen sollte, dass ich mitfahre, würde es auch nichts machen. 

 

Und ich muss sagen: Schon am ersten Kurstag war ich froh, dass ich mich dazu entschieden habe, den Lehrgang doch zu machen. Ich habe schon viele Ausbildungen hinter mir, und habe mich gefragt, was ich denn da noch Neues erfahren oder lernen sollte.  Aber ich hatte mich gründlich getäuscht und bin mit vielen neuen Erkenntnissen am Ende des Tages nach Hause gegangen. Und so ist es mir mit allen Themen im Laufe der Ausbildung ergangen.

 

Der Lehrgang war deshalb so wertvoll für mich, weil sich ein (Haupt)Thema quer durch die ganzen Module gezogen hat: Das Thema Frau. Die Anliegen, Sicht- und Denkweisen von uns Frauen - vor allem von Frauen, die Funktionärinnen sind - standen immer im Mittelpunkt. Mir ist während des Kurses bewusst geworden, dass ich mir eigentlich noch nie Gedanken darüber gemacht habe, dass wir Frauen in Funktionen anders "ticken" als Männer. Männer sind viel selbstbewusster wenn es darum geht sich zu präsentieren, und stellen sich viel lieber in den Vordergrund. Wir Frauen verstecken uns oft gerne - und da schließe ich mich nicht aus - und wir brauchen oft einen Anstoß, damit wir uns vor den Vorhang trauen. Und was hilft besser fürs Selbstvertrauen, als eine gute Ausbildung wie diese?

Was ich auch sehr besonders fand, war das letzte Modul im Frühjahr. Es hat uns nach Wien geführt, wo wir uns die Landwirtschaftskammer Österreich, das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus und das Parlament angeschaut haben. Hier kamen wir mit Bäuerinnen aus drei weiteren Bundesländern ZAMmen, die ebenfalls den Lehrgang besucht hatten. Es war schon was ganz Besonderes mit über 50 Bäuerinnen aus vier Bundesländern die Institutionen zu besuchen - das war die geballte Frauenpower! Sogar die Bundesbäuerin war extra angereist um mit uns zu plaudern, wir lernten die Obfrau der Sozialversicherungsanstalt der Bauern kennen, sahen die Geschäftsführerin der ARGE Bäuerinnen und die Projektleiterin des Zertifikatslehrganges wieder, hatten eine sehr interessante Stadtführung über "Frauen in Wien" und hatten auch noch die Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Nationalratspräsidenten, dem Präsidenten der Landwirtschaftskammer Burgenland, den Generalsekretären des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus und der Landwirtschaftskammer Österreich, und dem Vorstandvorsitzenden der Agrarmarkt Austria. So ein Programm muss man mal in zwei Tagen schaffen! 


Doch das Beste kommt bekannterweise zum Schluss!  Im Herbst hatten wir die Möglichkeit nach Brüssel zu reisen, um die Institutionen der Europäischen Union kennen zu lernen. Ich hab nur kurz überlegt, bevor ich mich dazu entschlossen habe, mit zu fahren. Wann hat man denn schon die Gelegenheit dazu, die EU einmal ganz hautnah zu erleben? Über 30 weitere Bäuerinnen, die ebenfalls die Ausbildung im Frühjahr absolviert hatten, haben sich wie ich dazu entschieden, für die Studienreise drei Tage "Urlaub" vom Hof, von der Arbeit und der Familie zu machen und zu verreisen.

 

Wir sahen viel: Die ständige Vertretung Österreichs, die Copa Cogeca, das Europäischen Parlament, den Europäischen Rat, die Europäischen Kommission, den Wirtschafts- und Sozialausschuss, das Haus der Europäischen Geschichte und natürlich hatten wir auch eine Stadtführung. Ein dichtes Programm für drei Tage - sehr gut organsiert und koordiniert von der Landwirtschaftskammer Österreich und vom Ländlichen Fortbildungsinstitut.

 

Gleich ganz am Beginn der Reise besuchten wir die ständige Vertretung Österreichs, wo wir eine kurze Einführung über die Arbeitsweise der Union bekamen. Unsere Vortragende meinte: "Stellen Sie sich vor, Sie müssten mit 27 weiteren SchülerInnen, die 24 verschiedene Sprachen sprechen, einen gemeinsamen Aufsatz schreiben. Glauben Sie: Ist das einfach?" Da hat es bei mir "Klick! gemacht, und seitdem verstehe ich viel besser, welche Herausforderungen die EU zu meistern hat.

 

Im Laufe der weiteren Besichtigungen bekamen wir viele Einblicke in die Arbeits- und Funktionsweise der Union. Es ist wirklich ein riesen Apparat, der sehr ausgeklügelt und gut durchdacht ist. Ehrlich gesagt bin ich seither erstaunt, dass man überhaupt zu Lösungen kommt. Bei so vielen unterschiedlichen Meinungen, Kulturen und Mentalitäten grenzt es eigentlich an ein Wunder, dass man sich auch irgendwann mal auf was einigt.

 

Ich war schon vor dem Brüssel Aufenthalt eine Befürworterin der Europäischen Union, aber nun nach der Reise bin ich regelrecht von dieser Institution begeistert. Hier erlebt man, wie Demokratie funktioniert und letztendlich ist die Union ein großes Friedensprojekt.




Für mich war der Lehrgang eine sehr große Bereicherung - nicht nur fachlich, sondern auch menschlich. Mit viel Hintergrundwissen zur Agrarpolitik, Öffentlichkeitsarbeit und Funktionärinnenarbeit, und vielen Bekanntschaften mit Bäuerinnen aus den unterschiedlichsten Betriebszweigen und Bundesländern, habe ich nun ZAMm abgeschlossen. Ich kann nur jeder Frau empfehlen, die sich im Vereinswesen, in Gremien, in der Gemeinde oder wo auch immer engagiert oder engagieren will, diesen Kurs zu besuchen. Er ist wirklich spitze!